Gesundheitsförderung in der neuen Arbeitswelt – Definition, Herausforderung, Maßnahmen

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Hände waschen, Maske aufziehen, Abstand halten. Im privaten und beruflichen Umfeld hat die Gesundheitskrise der vergangenen Monate eine unvergleichbare Sensibilisierung der Menschen für das Thema Gesundheit bewirkt. Gleichzeitig haben die gesundheitlichen Probleme der Arbeitskräfte im DACH-Raum deutlich zugenommen, wie eine aktuelle Studie von Aeris zeigt. Und nicht etwa aufgrund einer erhöhten Ansteckungsgefahr, sondern als Folge der improvisierten Arbeitsplätze zuhause. So klagen 64% der 2.000 befragten Teilnehmer über Rücken-, Muskel- und Kopfschmerzen, 20% über Gewichtszunahme, Müdigkeit, Stress und Unruhe. Für 12% habe die Telearbeit zuhause sogar zu psychischen Problemen, etwa Abgeschlagenheit oder Depressionen, geführt.

Welche Rolle spielt Gesundheitsförderung also in Zukunft und welchen Herausforderungen müssen sich Dienstgeber und Dienstnehmer in Sachen BGF (Betriebliche Gesundheitsförderung) in der neuen Arbeitswelt stellen?

Was ist Gesundheitsförderung?

Laut dem Öffentlichen Gesundheitsportal Österreich ist Gesundheitsförderung zu verstehen als “Maßnahmen und Programme, die Menschen unterstützen, ihre Gesundheit zu verbessern”. In dieser Definition ist ein klarer Bezug zur Ottawa Charta, dem offiziellen Schlussdokument der 1. Gesundheitsförderung der WHO aus dem Jahr 1986 zu erkennen: “Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen.” Da sich dies in sogenannte Lebenswelten wie der Arbeitsplatz, das Wohnumfeld, die Schule oder Freizeiteinrichtung abspielt, spielen persönliche, soziale, wirtschaftliche und umweltbedingte Faktoren eine wesentliche Rolle.

Unter Betrieblicher Gesundheitsförderung versteht man laut dem BGF-Netzwerk “eine moderne Unternehmensstrategie mit dem Ziel, Krankheiten am Arbeitsplatz vorzubeugen, Gesundheit zu stärken und das Wohlbefinden der Mitarbeiter/innen zu verbessern.” Als Organisationsentwicklungsstrategie orientiert sie sich an zwei Aspekten:
wesentlichen Faktoren der Arbeitswelt, die zu Auslösern für Krankheiten werden können (Lebensverhältnisse)

1. gesundheitsgefährdendem Verhalten und Lebensstil im persönlichen Umfeld (individuelles Verhalten)
2. In der praktischen Anwendung setzt Betriebliche Gesundheitsförderung auf Maßnahmen der Verhaltens- und Verhältnisprävention.

Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsförderung in der Europäischen Union

Bereits im Jahr 1997 haben die Mitglieder des europäischen Netzwerkes zur betrieblichen Gesundheitsförderung die Luxemburger Deklaration verabschiedet. Dieses Dokument umfasst die Grundsätze der betrieblichen Gesundheitsförderung und geht konkret auf Herausforderungen für die Arbeitswelt ein, die bis heute aktuell sind:

Grundsätze der betrieblichen Gesundheitsförderung

• Partizipation: Einbezug der gesamten Belegschaft
• Integration: Berücksichtigung der BGF bei allen wichtigen Entscheidungen und in allen Unternehmensbereichen
• Projektmanagement: Systematische Durchführung aller Aktivitäten von Bedarfsanalyse über Kontrolle bis hin zur Ergebnisbewertung
• Ganzheitlichkeit: Verknüpfung der Reduktion von Risikofaktoren mit dem Ausbau von Schutzfaktoren und Gesundheitspotenzialen

Herausforderungen für die Arbeitswelt im 21. Jahrhundert

• Globalisierung
• Arbeitslosigkeit
• wachsende Verbreitung neuer Informationstechnologien
• Veränderungen der Beschäftigungsverhältnisse (z.B. befristete und Teilzeitarbeit, Telearbeit)
• älter werdende Belegschaften
• wachsende Bedeutung des Dienstleistungssektors
• Personalabbau (Downsizing)
• wachsender Anteil von Arbeitnehmern in Klein- und Mittelunternehmen (KMU)
• Kundenorientierung
• Qualitätsmanagement

8 Anforderungen an Gesundheitsförderung in der neuen Arbeitswelt

Im März 2020 waren zahlreiche Unternehmen gezwungen auf Telearbeit umzustellen. Da die Arbeitsbedingungen in den eigenen vier Wänden aber nicht den Prinzipien und Qualitätskriterien ganzheitlicher betrieblicher Gesundheitsförderung entsprechen, hat der Fonds Gesundes Österreich gemeinsam mit dem Institut Gesundheits- und Tourismusmanagement ein angewandtes Forschungsprojekt in Auftrag gegeben. Für die 270 befragten Projektleiter, Personaler, Führungskräfte, Betriebsräte und Mitarbeiter aus Präventivdiensten bringt die neue Arbeitswelt folgende 8 Anforderungen an Gesundheitsförderung mit sich:

1. Telearbeit ist fester Bestandteil der Unternehmenskultur
2. Führungskräfte von morgen sind Telearbeit gegenüber aufgeschlossen und geschult im „Führen auf Distanz“
3. die notwendige technische Ausstattung steht zur Verfügung
4. im Betrieb gibt es klare Vorgaben und Regelungen für Telearbeit, d.h. auch Betriebsvereinbarungen
5. die Belegschaft entwickelt gemeinsame Regeln zur Kommunikation und es gibt Schulungsmöglichkeiten zur Online-Kommunikation
6. es findet ein aktiver virtueller, sozialer Austausch statt
7. finanzielle Unterstützung und Kinderbetreuungsmöglichkeiten werden angeboten
8. Schulungen hinsichtlich Zeit- und Selbstmanagement werden angeboten und organisiert

Gesundheitsfördernde Maßnahmen in Unternehmen von morgen umsetzen

Die Veränderung der Arbeitswelt wirft bei Dienstgebern und Dienstnehmern zurecht die Frage auf, wie die Gesundheit in Zukunft thematisiert, organisiert und umgesetzt werden kann. Bereits früher veröffentlichte etwa die WKO eine Liste an gesundheitsfördernden Maßnahmen für Mitarbeiter, deren Umsetzung zwar etwas adaptiert werden muss, die aber noch immer volle Legitimation haben:

• Ernährung: In der Vergangenheit haben Betriebe vielleicht Obstkörbe, eine Saftbar oder eine Kantine mit frischer Essenszubereitung angeboten. In der neuen Arbeitswelt stehen flexible Essensgutscheine zur Verfügung, mit denen die Mitarbeiter in ganz Österreich nach individuellen Vorlieben Lebensmittel einkaufen oder essengehen können. Denn die Mittagspause der Zukunft sollte gesund, stressfrei und den neuen Anforderungen angepasst sein.
  
  
• Fitness & Bewegung: Steh-Meetings oder hauseigene Fitness-Studios waren in manch einer Firma fester Bestandteil einer gesundheitsfördernden Unternehmenskultur. In Zukunft lässt sich dies etwa durch moderne Mitarbeiter Benefits wie eine hochwertige Ausstattung mit höhenverstellbarem Arbeitstisch für zuhause oder leichten Geräten für unterwegs erreichen. Zuschüsse zu Sporteinrichtungen sind zwar nicht direkt steuerlich absetzbar, allerdings bietet sich hier der Geschenk Gutschein als gute Lösung an.
  
  
• Arbeitsatmosphäre: Der Arbeitsbereich ist und bleibt ebenso wichtig wie das Arbeitsklima. Da viele Unternehmen bereits ihre Büros verkleinern, ist jetzt ein guter Zeitpunkt für moderne Bürokonzepte mit Desksharing oder Creative Zones. Auch das Firmenrad und lebenslanges Lernen zählen zu den wichtigsten Wünschen der Mitarbeiter im Jahr 2021 für die neue Arbeitswelt. Gerade durch den Aufbruch alter Strukturen ergeben sich zahlreiche neue Möglichkeiten, um die Arbeitsatmosphäre in allen Lebens- und Alltagsphasen positiv zu beeinflussen.
  
  
• Entspannung und Burnout-Prävention: Ein neues Manko, das heutige Mitarbeiter bereits vermissen, ist der fehlende Kontakt zu Kollegen. Darunter leidet der Teamgeist, die gute Feedbackkultur und damit auch das Wohlbefinden des Einzelnen. Betriebe werden in Zukunft sehr gefordert sein, um trotz vermehrter räumlicher Distanz für eine wertschätzende Unternehmenskultur und eine ausgewogene Work Life Balance ihrer Mitarbeiter zu sorgen.

Fazit: Gesundheitsförderung spielt weiterhin eine wichtige Rolle

Bei so manchen Dienstnehmern dürfte in den vergangenen Monaten der Eindruck entstanden sein, dass gesundheitsförderliche Maßnahmen sich aus der Verantwortlichkeit des Unternehmens in ihre eigene verlagert haben. Immerhin mussten sie sich selbst um eine passende Ausstattung für zuhause, sportlichen Ausgleich, täglich gesunde Mittagsgerichte und die Kontaktpflege mit den Kollegen kümmern. Es ist allerdings davon auszugehen, dass Dienstgeber sich in Zukunft wieder vermehrt um die Gesundheitsförderung ihrer Belegschaft kümmern werden. Denn einerseits sind sie auf gesunde, zufriedene und motivierte Mitarbeiter angewiesen, andererseits werden sie sich im War for Talents von morgen mit eben diesen Benefits behaupten müssen.